Bedürfnisorientierung

Bedürfnisorientierung und Partizipation Hand in Hand

Bedürfnisorientierte Pädagogik - was ist das?


Die Bedürfnisorientierung ist eine Haltung und kein Konzept. Bedürfnisorientiert mit Kindern zusammen zu sein bedeutet, sich auf eine Reflexionsprozess einzulassen, bei dem nicht nur die Gefühle, Bedürfnisse und Grenzen der Kinder im Fokus stehen, sondern auch die der Fachkräfte selbst.


Die Grundannahmen der Bedürfnisorientierung

In der bedürfnisorientierten Pädagogik wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch lebt, um sich Bedürfnisse zu erfüllen – körperliche und seelische Bedürfnisse. Das bedeutet: ein jedes Verhalten macht Sinn und ist ein Versuch, sich Bedürfnisse zu erfüllen. Wenngleich jeder Mensch die gleichen Bedürfnisse hat, sind die Strategien, die zur Erfüllung führen sollen, sehr unterschiedlich und manchmal schwer nachzuvollziehen. So ist es beispielsweise nicht immer gleich ersichtlich, warum ein Kind, das Kontakt sucht, mit Bausteinen wirft.

Die Bedürfnisse aller Beteiligten sind wichtig

Es besteht im Zusammenhang mit der Bedürfnisorientierung oft der Irrglaube, dass nur die Bedürfnisse der Kinder im Mittelpunkt stünden. Dem ist nicht so. Es geht um die Bedürfnisse aller Beteiligten – der Kinder, Eltern und Fachkräfte. Nur so kann echte Empathie entstehen, gleichwürdig Kompromisse gefunden und Grenzen nachvollziehbar kommuniziert werden.


Der Unterschied zwischen Wunsch und Bedürfnis

Bedürfnisorientiert zu handeln bedeutet nicht, dass einem jeden Kind alle Wünsche erfüllt werden müssen. Denn es besteht ein wichtiger Unterschied zwischen Wünschen und echten Bedürfnissen. Dennoch ist es wichtig, die Bedürfnisse hinter einem Wunsch zu verstehen. Auch wenn ein Wunsch ausgeschlagen werden kann, ist es die Aufgabe der Erwachsenen, die dadurch entstehenden Gefühle zu begleiten, die tatsächlichen Bedürfnisse zu benennen und Lösungen zu finden.

Alle Gefühle dürfen sein

Die Wahrnehmung und Annahme von Gefühlen spielt in der Bedürfnisorientierung eine wichtige Rolle. Gefühle werden als wichtige Signalgeber verstanden, die auf Bedürfnisse hinweisen. Es wird der Versuch unternommen, Gefühle nicht zu bewerten, sie nicht als gut oder schlecht einzustufen, sondern sie anzunehmen und auszuhalten.



Die Wahrnehmung der Bedürfnisse ist wichtiger als die Bedürfniserfüllung

Viel wichtiger als jedem Kind kontinuierlich seine Bedürfnisse zu erfüllen, ist es, die Bedürfnisse zu benennen. Ein Kind, das sich bei einer Fachkraft beschwert weil ihm die Schaufel weggenommen wurde, hat nicht unbedingt den Wunsch, die Schaufel wieder zu bekommen. Vielmehr möchte es gesehen werden mit seinem Ärger und dem, was gerade da ist.

Quelle: Kinder achtsam und bedürfnisorientiert begleiten in Kita, Krippe und Kindertagespflege. Herder.


Definition Partizipation:


Definition:

Der Begriff der Partizipation wird übersetzt mit:

- Teilhabe

- Beteiligung

- Teilnahme

- Mitwirkung

- Mitbestimmung

- Mitsprache

- Einbeziehung

usw.


In der Pädagogik wird unter Partizipation die Einbeziehung von Kindern und

Jugendlichen bei allen, das Zusammenleben betreffenden, Ereignissen und

Entscheidungsprozessen verstanden.

Die UN-Kinderrechtskonvention hat 1989 festgelegt, dass Kinder ein Recht darauf

haben, dass ihre Meinung und ihr Wille gehört und berücksichtigt werden. (Artikel 12)





Wie leben wir dies in unseren Alltag?


Essenssituation

Das gemeinsame Essen und Trinken hat im Gruppenalltag einen wichtigen Stellenwert. Durch die harmonische Gestaltung der Mahlzeiten schaffen wir eine Gemeinschaftssituation, die den Kindern Raum und Zeit für bewusstes Erleben bietet.

Die Kinder dürfen selbst entscheiden, was und wie viel sie essen und trinken möchten. Ich serviere das Essen in separaten Schüsseln, sodass jedes Kind sich selbst bedienen kann, wann und wie viel es möchte.

Jedes Kind kann sein eigenes Tempo wählen und entscheiden, ob es mit den Händen oder Besteck essen möchte. Es ist auch völlig in Ordnung, wenn jemand mal keinen Hunger hat. Bei mir muss niemand probieren oder seinen Teller leer essen!

Wer sich entscheidet, das Essen zu beenden, kann jederzeit den Tisch verlassen und ins Freispiel gehen.


Hygiene und Sauberkeitsentwicklung

Ich wickele die Kinder nach Bedarf und lasse sie wählen, ob sie im Stehen oder Liegen gewickelt werden wollen. Wenn ein Kind gerade beschäftigt ist, kann es das gerne beenden, bevor es gewickelt wird. Kein Kind wird gegen seinen Willen gewickelt, und ich benutze keinen Zwang, wie Festhalten. In seltenen Fällen müssen dann die Eltern helfen, wenn es gesundheitliche Risiken gibt.

Wenn ein Kind Interesse zeigt, die Toilette zu nutzen, unterstütze ich die Sauberkeitsentwicklung in Absprache mit den Eltern und entsprechend den Gewohnheiten zu Hause. Dabei sollten die Eltern auf praktische Kleidung achten, die das Kind selbst an- und ausziehen kann, wie Hosen mit Gummizug. Das fördert das Erfolgserlebnis!

Ich biete verschiedene Möglichkeiten an: Töpfchen, Sitzverkleinerung oder die reguläre Toilette. Die Kinder können entscheiden, ob sie meine Nähe möchten oder lieber allein sein wollen und ob die Tür offen oder geschlossen bleiben soll.



Schlafen und Ruhen

Schlafen und Ausruhen sind grundlegende Bedürfnisse von Kindern. Im Schlaf verarbeiten sie ihre Erlebnisse, und das Gehirn sortiert alles Wichtige. Auch während des Schlafs findet Lernen statt. Besonders Kinder unter drei Jahren brauchen im Alltag ungestörte Schlafmöglichkeiten und ausreichend Zeit für Ruhe- und Entspannungsphasen. Jedes Kind hat dabei seine eigenen Bedürfnisse: Manche benötigen nur ein kurzes „Mittagsschläfchen“, während andere auch am Vormittag schlafen möchten. Diese unterschiedlichen Bedürfnisse werden selbstverständlich berücksichtigt.

Nach dem Mittagessen bieten wir eine feste Schlaf- und Ausruhzeit an, die den Kindern Struktur und Sicherheit im Tagesablauf gibt. Die Kinder helfen aktiv beim Herrichten ihrer Schlafplätze. Jedes Kind hat seine eigene, farblich gekennzeichnete Bettwäsche, sodass die Kleinsten spielerisch lernen, sie richtig zuzuordnen und sich einzubringen. So erleben sie eine vertraute Schlafsituation.

Die Kinder können selbst entscheiden, ob sie einfach ruhen und dabei ein Bilderbuch anschauen oder körperliche Nähe suchen möchten, wie etwa Händchen halten oder Streicheln.

Genau wie kein Kind zum Schlafen gezwungen wird, wecke ich auch niemanden aktiv.